Maifeier 1900 der Münchner Arbeiterschaft in Holzapfelkreuth; im Vordergrund Mitglieder des Arbeiterradfahrerbundes "Solidarität" (Sammlung Alfons Hubauer, München)
Der achtstündige Arbeitstag blieb bis 1914 die zentrale Forderung auch der Münchener Arbeiterschaft. Wurde das soziale Klima in Bayern im übrigen Reich, vor allem in Norddeutschland, als weniger konfliktreich als in den anderen Provinzen Deutschlands angesehen, so waren die Auseinandersetzungen der Arbeiter mit den Arbeitgebern um bessere Arbeitsbedingungen gerade in München von besonderer Härte geprägt.
In der sogenannten "guten alten Zeit," der Regierungszeit des Prinzregenten Luitpold, waren Streiks an der Tagesordnung. Zwischen 1898 und 1914 wurden in München weit über 200 Arbeitsniederlegungen gezählt, weit mehr als in den Industriestädten Nürnberg und Augsburg. Obwohl die Reichsgewerbeordnung von 1891 Streiks und Ausstände für gesetzlich legal erklärte, war die Teilnahme an einem gewerkschaftlich organisierten Streik dennoch ein Risiko, da ein Überangebot an Arbeitskräften bestand und die Unternehmer schnell mit Entlassungen reagieren konnten.
Hinzu kamen auch in München die sogenannten "Schwarzen Listen", die einzelne Unternehmer aufstellten und untereinander austauschten, und auf denen die Namen von organisierten Arbeitern, insbesondere solchen, die an den Maifeiern teilgenommen hatten und somit der Arbeit ferngeblieben waren, verzeichnet wurden.
Der Münchener Arbeiterschaft gelang es dennoch mit Hilfe ihrer Gewerkschaften so manchen Erfolg zu erkämpfen. Die Sozialdemokratie und die mit ihr eng zusammenarbeitenden Freien Gewerkschaften waren in der Münchener Arbeiterschaft stark vertreten, wenngleich die christlichen, anarchistischen und die Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften ebenfalls über einen relativ breiten Mitgliederstamm verfügten. Im Jahre 1914 gab es allein in München ca. 55.000 gewerkschaftlich organisierte Arbeiter. Mit Hilfe dieser starken Gewerkschaftsorganisation konnten beispielsweise die Arbeitsordnungen für die Großbrauereien von 1905 und 1909 durchgesetzt werden, welche die Arbeitszeiten der Brauer deutlich herabsetzten. Die Arbeitsordnungen von 1905 und 1909 und vor allem das reichseinheitliche Arbeiterschutzgesetz von 1891 bedeuteten eine erhebliche Verbesserung der Situation der Brauerei-, aber auch der übrigen Industriearbeiter.
Besondere Erwähnung verdient, dass es in der Gummifabrik Metzeler im Westend bereits 1912 zum Abschluss eines der ersten Tarifverträge kam, der auf eine Laufzeit von drei Jahren befristet war. Unter anderem gewährte er den Arbeitnehmern ein paar Werktage bezahlten Urlaub. In diesem Vertrag war auch der 1. Mai ausdrücklich als arbeitsfreier Tag festgeschrieben.